Eindeutiges Bekenntnis zur verfassungsgemäßen Ordnung - Für ein rechtsstaatliches Deutschland in Europa

Plenarprotokoll 28.04.2021
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Was für ein Brocken am heutigen Morgen, den die CDU hier zum Setzpunkt gemacht hat. Aber, Herr Müller, Sie haben in Ihrer Rede eindrücklich deutlich gemacht, wie eng Sie an den Ängsten und Sorgen der hessischen Bevölkerung argumentieren. – Weiter weg von dem, was gerade uns hier in Hessen umtreibt, kann man aber gar nicht mehr sein.
(Beifall DIE LINKE)
Was für ein Brocken heute Morgen – und das ausgerechnet aus den Fraktionen, die uns so gerne vorhalten, wir würden Themen ansprechen, die außerhalb der Zuständigkeit des Hessischen Landtages lägen.
Meine Damen und Herren, bei Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und vor allem der Achtung der Menschenrechte haben Sie uns hundertprozentig an Ihrer Seite – aber selbstverständlich. Ich frage mich nur: Warum verwässern Sie dieses starke Postulat im nächsten Satz mit der Erweiterung dieses Kanons um die soziale Marktwirtschaft? Das ist ein politischer Kampfbegriff. Ich werde nicht müde, Ihnen zu sagen: Die soziale Marktwirtschaft hat keinen Verfassungsrang. Das Grundgesetz lässt die Wirtschaftsweise ausdrücklich offen, und das ist auch gut so.
(Beifall DIE LINKE)
Dann kommt der fast schon traditionelle Lobgesang auf den Wohlstand. Meine Damen und Herren, das Wohlstandsversprechen der sozialen Marktwirtschaft ist für viele Menschen längst zu einer Farce geworden. Was soll denn sozial an einer Wirtschaft sein, in der Menschen zu Niedriglöhnen schuften, von Armut bedroht oder betroffen sind und sich keine bezahlbare Wohnung mehr leisten können? Nein, die aktuelle Wirtschaftsordnung ist für viele Menschen alles andere als sozial.
(Beifall DIE LINKE)
Die soziale Spaltung, die wir seit Jahren, Jahrzehnten beklagen, ist jetzt auch in der Corona-Pandemie noch einmalsehr viel deutlicher geworden. Während die Zahl und das Vermögen der Millionäre und Milliardäre in Deutschlandweiter wachsen, haben breite Teile der Bevölkerung massive Reallohnverluste zu beklagen. Ihre Ideologie einer angeblich sozialen Marktwirtschaft wird durch die kapitalistische Realität im Land demaskiert – und die Kritik daran ist mehr als berechtigt.
(Beifall DIE LINKE)
Herr Müller oder auch Herr Stirböck, nicht Sie schützen unsere Verfassung vor vermeintlichen Feinden von links, sondern die politische Linke in diesem Land muss das Sozialstaatsprinzip vor Ihnen und Ihrer markt- und kapitalhörigen Politik schützen.
(Beifall DIE LINKE)
Präsident Boris Rhein:
Herr Dr. Wilken, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schwarz?
Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE)
Nein. Herr Schwarz kann sich zu einer Kurzintervention melden.
Dann kommt der nächste Brocken in Ihrem Antrag: die Europäische Gemeinschaft. Also, was Internationalismus anbelangt, müssen Sie uns nun wirklich nicht belehren. Wir fassen das auch nicht so eng, dass wir da nur auf Europa schauen. Aber was ist denn mit dieser „Ära des Friedens, der Freiheit, der Sicherheit und“ – noch einmal – „des Wohlstands“, die uns Europa gebracht hat? Wann und wie lange war denn diese Ära, und für wen galt sie?
Ära des Friedens: für uns in Deutschland, okay. Aber das wäre nationalistisch gedacht. Das können Sie gar nicht meinen. Global ist die Europäische Union die Waffenhändlerin. Wir haben aufgerüstete Außengrenzen usw. Das allessind EU-Probleme. – Ära der Freiheit: Überwachungsstaaten, Patriarchat. – Ära der Sicherheit: für alle auch in unserem Land lebenden Menschen? Wir sind uns ja wohl alle einig, dass z. B. Migrantinnen und Migranten das bei dieser erstarkenden Rechten sicher anders bewerten. Oder auch Frauen: Femizide? Oder – noch einmal – soziale Sicherheit: für alle jedenfalls nicht. – Ära des Wohlstands, dazu habe ich schon etwas gesagt: auf jeden Fall nicht für alle.
Meine Damen und Herren, wir diskutieren nicht über einen Austritt aus der EU. Wir diskutieren über eine Demokratisierung der EU. Das Demokratiedefizit ist eine der größten Gefahren für den europäischen Integrationsprozess. Deswegen wenden sich viele Menschen von dem Projekt als Ganzem ab. Deshalb setzen wir uns für den umfassenden Ausbau der Partizipationsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger bei europäischen Entscheidungen ein.
Es ist unsere feste Überzeugung, dass wir auf der ganzen Welt und auch hier deutlich weniger Nationalstaat brauchen und stattdessen mehr internationale Kooperation und internationale Organisationen, um die aktuellen Aufgaben zu bewältigen. Das ist der linke Ansatz.
(Beifall DIE LINKE)
Dann werden Sie auch noch unfreiwillig komisch in Ihrem Antrag. Sie postulieren die Politik „auf der Grundlage wissenschaftlicher Fakten und demokratischer Legitimation“. Nun, da sehen wir im Moment ein paar Defizite in unserem Land. Die Parlamente waren bei allen Corona-Entscheidungen viel zu lange komplett außen vor. Ich warte immer noch auf den Tag, an dem mir irgendjemand, gerne auch Sie, Herr Müller, die wissenschaftliche Grundlage des Inzidenzwertes 165 erklärt. Ich könnte diese Aufzählung jetztbeliebig lange fortführen. Ich stelle aber fest, und das ist gestern auch schon breit diskutiert worden: Wir leben in der dritten Welle der Pandemie, weil wissenschaftliche Fakten zu lange ignoriert und stattdessen wirtschaftliche Interessen verfolgt wurden.
(Beifall DIE LINKE)
Ich habe auch immer noch den Videoausschnitt vor Augen, wo der Ministerpräsident ausdrücklich gesagt hat, er rede noch nicht einmal mit denen, die schon vor Wochen gewusst haben, was passiert. – Nein, genau das Gegenteilsollten Sie tun.
Ich vermute einmal, wenn wir – wann auch immer – uns wieder einmal mit anderen Problemen in diesem Land beschäftigen werden, z. B. der drohenden Klimakatastrophe, dass es auch dann wieder, wie schon vorher, nicht so weither sein wird mit den wissenschaftlichen Fakten, die gegen die wirtschaftlichen Interessen gestellt werden müssen.
(Beifall DIE LINKE)
Meine Damen und Herren von den regierungstragenden Fraktionen, sollen wir dem dann auch noch zustimmen? –Wissen Sie, was: Das lassen wir.
(Beifall DIE LINKE)

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