Die Änderung der Vollzugsgesetze ist ein völliger Fehlgriff

 

In seiner 47. Plenarsitzung am 30. Juni 2020 diskutierte der Hessische Landtag über eine Änderung der Vollzugsgesetze. Dazu die Rede unseres rechtspolitischen Sprechers Ulrich Wilken.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Meine Vorrednerinnen haben für die Beurteilung des vorliegenden Gesetzentwurfs die Modernität und die Leistungsfähigkeit als Kriterien bemüht. Ich will deswegen vorneweg für DIE LINKE sagen: Diese Novellierung ist nichts für die Zukunft, sondern weist zurück ins letzte Jahrtausend.

(Beifall DIE LINKE)

Bleiben wir bei dem schon zitierten Beispiel der Bodycams im Vollzug. Das ist nicht nur nutzlos, sondern sehr gefährlich. Menschen, die im Justizvollzug untergebracht sind, haben dort ihren höchstpersönlichen Lebensbereich. Sie leben in einem geschlossenen System – notwendigerweise von Repressionen und Überwachung geprägt. Jetzt eine weitere Überwachungsmethode einzuführen, weil der repressive Apparat nicht funktioniert, kann und wird nicht zur Deeskalation beitragen,

(Beifall DIE LINKE)

ganz im Gegenteil: Die Zukunft des Vollzugs muss doch, wenn man Resozialisierung ernst nimmt, von der Möglichkeit der Erprobung und Öffnung geprägt sein. Das ist im Wesentlichen eine Frage von Personal. Mehr, besser und sehr gut geschultes Personal ist der Schlüssel. Das wäre der richtige Schritt, insbesondere auf die psychisch erkrankten und verhaltensauffälligen Gefangenen zu reagieren.

(Beifall DIE LINKE)

Es ist schon erwähnt worden: Bemerkenswert ist, dass dieses Modellprojekt der Bodycams gegen die Ablehnung durch den Bund der Strafvollzugsbediensteten durchgesetzt wird. Wenn diejenigen es ablehnen, die das Projekt durchführen sollen und in deren Interesse es angeblich gemacht wird, sollten Sie das Projekt in die Tonne treten.

Meine Damen und Herren, Sie nehmen im Gesetzentwurf Bezug auf die besondere Bedeutung der familiären Beziehungen und das Wohl von Kindern, deren Angehörige im Justizvollzug untergebracht sind. Wir sehen es auch so, dass es zentral ist, Möglichkeiten der Kommunikation mit Familie, Freunden und Kindern zu schaffen.

Eine Lösung hierfür wäre die Öffnung für digitale Kommunikation: Videotelefonie, E-Mails usw. Gefangene schreiben immer noch mühsam mit Stift auf Papier an ihre Angehörigen. Auch diese müssen in die JVA analog kommunizieren. Die Insassen kämpfen in Zeiten von Festnetzflatrates mit horrenden Telefonkosten – in Zeiten, in denen E-Mail und Videotelefonie für alle seit Jahren zum Alltag gehören. Wir LINKE schlagen seit Jahren vor, die Digitalisierung der Justizvollzugsanstalten voranzubringen. Die JVA liegt, was das angeht, mindestens 20 Jahre zurück.

Dass Sie jetzt in Ihrem aktuellen Entwurf Videotelefoniezeiten ermöglichen, finden wir gut. Diese dann aber auf die mickrigen zwei Mindestbesuchsstunden im Monat anrechnen zu wollen,

(Christiane Böhm (DIE LINKE): Kleinlich!)

ist doch nur peinlich.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, zur Pflege familiärer Beziehungen gehört auch die Möglichkeit, z. B. an Beerdigungen naher Angehöriger teilzunehmen. Die JVA Kassel hat jüngst mit der Begründung, dass organisatorische und personelle Gründe dagegen sprächen, eine Ausführung zur Beerdigung eines Vaters untersagt.

Über die Strafvollstreckungskammer Kassel hat der Betroffene im Eilverfahren die Teilnahme an der Beerdigung erwirkt. Wenn diese essenziellsten familiären Termine nicht mehr wahrgenommen werden können, sind wir noch weit von einer guten Resozialisierung entfernt.

(Beifall DIE LINKE und Gerald Kummer (SPD))

Als LINKE haben wir die Einbeziehung der Strafgefangenen in die Rentenversicherung immer verfolgt und werden sie auch weiter verfolgen. Ihr Entwurf sieht zwar zum Thema Sozialversicherungen eine bessere Beratung vor, aber die Strafgefangenen einzubeziehen, ist ein Gebot sozialer Rechtspolitik. Es ist ein Gebot der Verfassung sowie der Grund- und Menschenrechte. Es ist den Strafgefangenen geschuldet.

Die Einbeziehung in die Rentenversicherung ergibt sich nach meinem Verständnis aus dem Wiedereingliederungsauftrag des Strafvollzugs. Eine eigenverantwortliche Lebensführung nach der Entlassung bedarf der sozialen Absicherung. Zudem wird die Würde der arbeitenden Strafgefangenen angetastet, wenn ihre Arbeitszeiten keine sozialversicherungsrechtliche Anerkennung finden. Das Gleichheits- und das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes werden verletzt, wenn die Arbeit im Strafvollzug nicht mit üblicher Arbeit sozialversicherungsrechtlich gleichgesetzt wird.

Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Das Argument leerer Kassen darf nicht zählen, wenn es um die politische Prioritätensetzung im Sinne von Grundrechten, Sozialstaatsprinzip sowie Gleichheits- und Gerechtigkeitsprinzipien geht. Das sind unsere Kriterien, nach denen auch wir in der kommenden Anhörung und in der Vorbereitung der zweiten Lesung unsere Position in Bezug auf die hessischen Vollzugsgesetze weiter verfolgen werden. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)

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