Plenarprotokoll 22.05.2019
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in der Fraktion gerade darüber diskutiert, ob wir nicht eine Möglichkeit finden, auch hier im Landtag unerwünschte Werbesendungen zurückzuschicken. Offensichtlich müssen wir uns aber leider damit beschäftigen.
(Heiterkeit und Beifall DIE LINKE)
Meine Damen und Herren, in dem Antrag steht der wunderschöne Satz: „Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein.“ Einerseits ist dieser Satz normativ so wahr wie offenkundig alltagspraktisch nicht eingelöst. Ansonsten müsste diese Floskel nicht permanent wiederholt werden. Wenn das Internet aber weiterhin einem rechtsfreien Raum ähnelt, dann müssen wir uns doch fragen, ob die Lösungs-ansätze, die Sie verfolgen und für die Sie sich gerade wie-der einmal loben, die richtigen sind. Wir müssen einmalgenauer darüber diskutieren, was denn eigentlich notwendig ist, damit wir dem normativen Satz, dass das Internet kein rechtsfreier Raum sein darf, wirklich Geltung verschaffen, und was wir dafür tun müssen.
Frau Kühne-Hörmann, ich will gar nicht in Abrede stellen, dass Sie als hessische Justizministerin seit Jahren auf diesem Feld Vorstöße unternehmen. So konnten Sie, nachdem im Januar ein 20-Jähriger eine große Menge persönlicher Daten über Politikerinnen, Politiker und Prominente veröffentlicht hat, schnell einen sehr konkreten rechtspolitischen Vorschlag vorlegen. Wir erinnern uns: Damals war die Empörung groß. Manche sprachen von einem „Angriff auf die Demokratie“ und forderten Konsequenzen – bis hin zum „Hack back“, also zu der Möglichkeit, die Daten auf den Servern aus der Ferne zu löschen.
Nur zwei Tage nach der Festnahme des Täters forderte Justizministerin Kühne-Hörmann in der „FAZ“ strafrechtliche Konsequenzen für den „Digitalen Hausfriedensbruch“. Die Konkretheit ihrer Forderung mag auch daran liegen, dass dieser Vorschlag eine Art rechtspolitischer Wiedergänger ist, der immer wieder auf die Tagesordnung kommt. Er stammt aus einem hessischen Gesetzentwurf aus dem Jahre2016. Dieser kam, nachdem er abgelehnt worden war, im Jahre 2018 noch einmal in das Gesetzgebungsverfahren, wurde aber wieder auf Eis gelegt. Bei der Herbsttagung des Bundeskriminalamts im Jahre 2018 stand der hessische Vorschlag für die Schaffung des Straftatbestands „Digitaler Hausfriedensbruch“ erneut auf der Tagesordnung.
Nun findet sich diese hessische Initiative, für die Sie sich in Ihrem Antrag wieder einmal loben, im Entwurf für ein IT-Sicherheitsgesetz 2.0 wieder. Deswegen müssen wir uns das ein bisschen genauer anschauen.
Der Entwurf für ein IT-Sicherheitsgesetz beinhaltet eine ganze Reihe neuer Straftatbestände und Strafverschärfungen: vom digitalem Hausfriedensbruch über die Kriminalisierung des Darknet bis hin zum Einsatz von Staatstrojanern gegen Hacker. Ich sage ganz deutlich: Das hat nichts mehr mit einer defensiven IT-Sicherheitspolitik zu tun. Wir müssen an dieser Stelle – vielleicht werden wir das in den Beratungen im Ausschuss gemeinsam tun können – zu den notwendigen Abwägungen zurückkommen, mit welchen Instrumenten wir arbeiten.
Frau Förster-Heldmann, ich habe mit Interesse gehört, dass Sie zumindest angedeutet haben, dass es im Darknet eine Nutzergruppe gibt, die wir unterstützen wollen. Diese soll anonym arbeiten können, ohne als kriminell zu gelten. Wenn wir aber diese Abwägungen vornehmen, dann dürfen wir das Darknet nicht pauschal unter einen Kriminalitäts-vorwurf stellen.
(Hildegard Förster-Heldmann (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Das machen wir ja auch nicht!)
Meine Damen und Herren, wer private Daten ausspäht oder abfängt, macht sich bereits jetzt strafbar. Dafür braucht man keine Strafrechtsverschärfung.
(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)
Sie wollen einen neuen Straftatbestand schaffen, der zu-künftig greift, wenn jemand Daten zu veröffentlichen plant und den betroffenen Personen dadurch Nachteile entstehen können. Die Persönlichkeitsrechte werden aber durch unser Strafrecht bereits jetzt geschützt.
Meine Damen und Herren, Sie wollen mit dem auf der Bundesebene eingebrachten Gesetzentwurf Computerstraf-taten zu sogenannten schweren Straftaten machen. Das hat nicht nur eine Strafrechtsverschärfung zur Folge; vielmehrdürfen die Behörden in solchen Fällen zukünftig nicht nur Telefone abhören, sondern sogar Quellen-TKÜ betreiben, also Staatstrojaner gegen die Kriminalität im Internet ein-setzen. Ich mache dahinter ein großes Fragezeichen und möchte gerne die Frage erwägen, ob da nicht mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird.
(Beifall DIE LINKE)
Ich habe es bereits angesprochen: Anonymität ist sicherlich geeignet, beim Begehen von Straftaten zu helfen. Dass wir das abstellen müssen, da sind wir alle einer Meinung. Es gibt aber auch legitime Umstände, die Anonymität erforderlich machen. Anonymität ist Bestandteil des Grundrechts auf Meinungsfreiheit und informationelle Selbstbestimmung. Durch diese Anonymität wird die Arbeit vieler Journalistinnen, Journalisten sowie Aktivistinnen und Aktivisten erst möglich. Auch daran müssen wir denken.
Meine Damen und Herren, zu den Marktplätzen, die Sie in Ihrem Antrag erwähnen: Schon heute ist es strafbar, Marktplätze für illegale Waren und Dienstleistungen zu betreiben. Dazu braucht man keine Strafrechtsverschärfung. Herr Müller hat die Missbrauchsplattform „Elysium“ bereits erwähnt. Schon nach der bestehenden Rechtslage können in solchen Fällen lange Haftstrafen ausgesprochen werden; dafür braucht man keine Strafrechtsverschärfung.
(Beifall DIE LINKE)
Im Gegenteil, die Begriffe, die Sie in Ihrem Antrag verwenden – „Darknet“ und „Darknet-Markt“ – werden im allgemeinen Sprachgebrauch ungenau und verwirrend verwendet. Je nach Kontext sind ganz unterschiedliche Dinge damit gemeint. Ich mache ein großes Fragezeichen dahinter, ob es hilfreich sein wird, sie jetzt als Rechtsbegriffe einzuführen.
Eine letzte Bemerkung von mir am heutigen Morgen. Ich komme noch einmal auf das legitime Nutzen von Teilendes Internets zu sprechen, die sich der Überwachung verschließen. Wer die Bedeutung dieser Infrastruktur für eineunüberwachte Kommunikation nicht berücksichtigt, wer nicht bedenkt, dass diese z. B. für Whistleblower oder für in anderen Staaten politisch Verfolgte wichtig ist, wer schon die Nutzung dieses Teils des Internets als eine Ermöglichung und Erleichterung zur Begehung von Straftaten beschreibt, der behindert eindeutig politische Tätigkeiten. Ich betone: Das wollen wir nicht. Deshalb müssen wir sorgfältiger formulieren und sorgfältiger überlegen.
(Beifall DIE LINKE)
Ich komme zum Schluss. Es bedarf nach unserer Meinung einer reflektierten und sachkundigen Diskussion über die Möglichkeiten der Digitalisierung, auch mit den deutschen Sicherheitsbehörden – vor allem mit der Polizei –, und deren Rolle in der Gesellschaft, in der der globale digitale Raum ein ganz selbstverständlicher Teil unseres Alltagsgeworden ist.
Diese Diskussion sollte weder von Technologiegläubigkeit noch von irrealen Ängsten vor Robocops getrieben sein. Die Fragen, die gestellt werden müssen, haben vielmehrmit einer klaren Positionierung der Polizei, mit der Schaffung eines gesellschaftlichen Konsenses über diese Position sowie mit der Schaffung angemessener organisationaler sowie rechtlicher Rahmenbedingungen als Voraussetzung für die Umsetzung einer umfassenden, auch digitalen Polizeiarbeit zu tun.
Wenn dabei etwas Gutes herauskommt, loben wir auch. Im Moment ist dieser Lobhudelantrag nicht zustimmungsfähig.
(Beifall DIE LINKE)