300 Wilken Ulrich portraetDr. Ulrich Wilken

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Sprecher für: Medienpolitik, Rechtspolitik, Datenschutz

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Reden (-2019)

Gesetzliche Grundlage zum 'Abhören unter Freunden'

Plenarprotokoll 24.11.2016

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wenn sich hier Mittagspausenstimmung breitmacht, kann ich Ihnen keine Suppe oder kein Hähnchen bieten. Vielmehr kann ich Ihnen ein bisschen Aufregung oder zumindest die Erinnerung an die Aufregung bieten.

Ich glaube, wir erinnern uns noch alle sehr gut an die kollektive Aufregung über den NSA-Skandal in unserem Land und an die Reaktion der Bundeskanzlerin, die sagte:

Abhören unter Freunden, das geht gar nicht.

Wir erinnern uns noch an den Aufschrei, den Bürgerrechtsorganisationen, und nicht nur diese, gemacht haben.

Jahrzehntelang betrieb auch der Bundesnachrichtendienst mit halbseidenen Konstruktionen Spionage gegen die Bürgerinnen und Bürger, Menschenrechtsorganisationen und befreundete Regierungen. Statt dieser Praxis ein Ende zu setzen und die Privatsphäre der Menschen wirksam zu schützen, haben SPD und CDU auf Bundesebene nun Gesetze geschaffen, die die Befugnisse des Bundesnachrichtendienstes sogar noch ausweiten. In der Vergangenheit hat der Bundesnachrichtendienst das Parlament, manchmal auch das Bundeskanzleramt und fast immer die betroffenen Unternehmen getäuscht. Er tat dies absichtlich und im vollen Bewusstsein der Illegalität.

Das ist im NSA-Untersuchungsausschuss sehr deutlich geworden: Für diese Praxis des Bundesnachrichtendienstes wurde ein perfides System aus Abschirmen und Nicht-Dokumentieren installiert. Es gab dieses System des Bundesnachrichtendienstes schon sehr lange. Tricksen, tarnen und täuschen, so lässt sich das Credo des Bundesnachrichtendienstes zusammenfassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir erinnern uns an die berechtigte Aufregung, die uns alle durch die Enthüllungen vor allem durch Edward Snowden erfasst hat. Was passiert jetzt? – Es passiert nichts, es gibt keine Reue, kein Umsteuern und kein Zur-Rechenschaft-Ziehen der Verantwortlichen. Stattdessen wird die Rechtslage den Wünschen des Geheimdienstes angepasst. Das bedeutet unter anderem anlasslose Massenüberwachung.

(Günter Rudolph (SPD): Ei, ei, ei!)

– Herr Rudolph, es ist leider so. – Die anlasslose und umfassende politische Spionage gegen Hilfsorganisationen, die Presse, Regierungen der europäischen Länder und gegen die Bürgerinnen und Bürger wird durch diese neuen Gesetze legal werden. Unterschiedliche Nichtregierungsorganisationen wie Reporter ohne Grenzen, Amnesty International und drei Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen haben dieses Gesetz gerügt. Die bisherige Praxis, die nun legalisiert werden soll, wurde von anerkannten Juristinnen und Juristen und nicht zuletzt von Deutschlands obersten Datenschützern immer wieder als schlichtweg illegal angeprangert.

Wie reagieren SPD und CDU im Bund darauf? Sie belohnen den Geheimdienst mit mehr Befugnissen für Massenüberwachungen. Das darf doch wohl nicht wahr sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Warum müssen wir uns im Hessischen Landtag damit befassen?

(Günter Rudolph (SPD): Das ist eine nicht unberechtigte Frage!)

Im Wesentlichen gibt es dafür zwei Gründe. Zum einen müssen wir das, weil der wichtigste Internetknotenpunkt, der abgeschöpft wird, in Frankfurt am Main, also im Hessenland, liegt. Der Betreiber dieses Internetknotenpunktes klagt seit Langem gegen die bisher illegale massenhafte Abfischung seiner Daten. Er klagt damit natürlich auch gegen die Gefährdung seines Geschäftsmodells in Frankfurt am Main.

Zweitens werden in Hessen von mindestens einem Mitglied der die Landesregierung tragenden Fraktionen öffentlich verfassungsrechtliche Bedenken gegen genau dieses Bundesnachrichtendienstgesetz geäußert.

(Zuruf: Wer ist das?)

– Ich nenne sie gleich namentlich. Selbstverständlich verzichte ich nicht darauf. – Sehr geehrte GRÜNE, sehr geehrter Herr Frömmrich, Sie müssen sich schon entscheiden, ob die Hessische Landesregierung diese Gesetzentwürfe im Bundesrat durchwinkt, also keinen Einspruch einlegt, oder ob Sie beifallsheischend noch einmal in Richtung der Bürgerrechtsorganisationen winken wollen.

(Günter Rudolph (SPD): Das ist wie beim Flughafen: Wischiwaschi!)

Entweder wollen Sie diese Massenüberwachung nicht, oder Sie wollen sie als Teil der Landesregierung schon. Beides geht nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen, zusammenfassend, noch einmal vor Augen führen, was nach Unterzeichnung dieser Gesetze durch den Bundespräsidenten Realität werden wird:

Der Auslandsgeheimdienst BND darf bisher innerhalb Deutschlands nicht abhören. Er tat es dennoch. Dagegen klagt, wie ich gerade sagte, der Betreiber des Internetknotens DE-CIX. Das BND-Gesetz soll nun genau diesen bisher illegalen vollen Zugriff auf alle Datenbewegungen legalisieren.

Zweitens. Bisher durfte der BND nur einzelne Leitungen abhören. Das betraf dann eine Glasfaser der Telekom zwischen Luxemburg und Wien. Davon durfte er eigentlich nur 20 % der Kapazität abhören. Mit dem neuen Gesetz werden beide Grenzen fallen. Der BND darf dann ganze Telekommunikationsnetze ohne Begrenzungen anzapfen. Er darf dann sämtliche Telefonleitungen und den gesamten Internetknotenpunkt DE-CIX anzapfen. Damit wird das Maß der Überwachung erheblich steigen.

Drittens. Bislang gab es acht Gründe für das Abhören, wie z. B Terrorangriffe. Nun wird das alles im neuen Gesetz schwammig, und es werden z. B. – ich zitiere: „sonstige Erkenntnisse von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung“ – zukünftig ausreichen, um eine Massenüberwachung anzuordnen.

(Vizepräsidentin Ursula Hammann übernimmt den Vorsitz.)

Viertens. Wir reden hier über Vorratsdatenspeicherung. So kritisiert Prof. Bäcker vom Karlsruher Institut für Technologie, Institut für Informations- und Wirtschaftsrecht, in der Anhörung des Deutschen Bundestages völlig zu Recht– ich zitiere –:

Der Bundesnachrichtendienst darf auf der Grundlage dieses Gesetzes ... Telekommunikationsverkehrsdaten ... völlig anlasslos sechs Monate lang bevorraten, ohne irgendeinen Grund darlegen zu müssen, warum das erforderlich ist. Innerhalb dieser sechs Monate darf der BND diese Verkehrsdaten auswerten zur Aufgabenerfüllung, also fast auch ohne einen Auswertungsanlass. Das verfehlt so evident die Anforderungen an Vorratsdatenspeicherungen, die das Bundesverfassungsgericht aufgestellt hat in seiner Entscheidung im Jahr 2010, ...

Meine Damen und Herren, alle Experten, auch die des BND, haben in der Anhörung darauf hingewiesen, dass grundrechtliche Anforderungen mit diesem Gesetzentwurf verfehlt werden.

Sie, Hessische Landesregierung, GRÜNE und CDU, sehen im Bundesrat keinerlei Einspruchsgründe. Mir, meiner Fraktion, den Bürgerrechtsorganisationen und allen Bürgerinnen und Bürgern, die sich zu Recht über den NSA-Skandal aufgeregt haben, bleibt nur noch ein Kopfschütteln. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei der LINKEN)

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