Ulrich, laut Bundesagentur für Arbeit ist die Zahl der Kinder in Hartz-IV-Familien gesunken. Die Bundesfamilienministerin ist euphorisch. Hat sie Grund dazu?
Zunächst einmal liegt der Anteil der Kinder, die in Hartz-IV-Familien leben oder besser gesagt, deren Eltern kein existenzsicherndes Einkommen haben, nach wie vor bei 13,5 Prozent im Bundesdurchschnitt. Die Quote ist zwischen September 2006 und September 2011 nur um lediglich 1,5 Prozentpunkte gesunken. Für Hessen beziffert eine aktuelle Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung, dass von 2008 bis 2010 die Kinderarmut in Hessen bei den unter Dreijährigen um 0,6 Prozentpunkte auf 18,3 Prozent - das sind 28.324 Kinder - gesunken ist. In Hessen ist der Rückgang der Kinderarmut geringer als im Bund. Ich vermag da beim besten Willen keinen Grund für Freude zu erkennen. Außerdem gibt es immer weniger Kinder. Laut Deutschem Kinderschutzbund ist die Zahl der unter 15-Jährigen bundesweit seit 2006 um fast 750.000 zurückgegangen. Das ist Ergebnis einer Politik, die Menschen Perspektiven zur Lebens- und Familienplanung raubt.
Wie lauten die Forderungen der LINKEN zur Bekämpfung von Kinderarmut?
Kinder sind arm, weil sie in finanzschwachen Beziehungen aufwachsen; sprich: die Eltern oder das alleinerziehende Elternteil verdient zu wenig. Die Eltern der Kinder brauchen existenzsichernde Arbeitsplätze – damit fängt alles an. Deshalb fordert DIE LINKE einen gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro als Lohnuntergrenze. Wer zu wenig verdient, um auch den Bedarf seiner Kinder zu decken, erhält einen Kinderzuschlag. Den jetzigen Kinderzuschlag von maximal 140 Euro wollen wir auf 200 Euro für unter sechsjährige, 236 Euro für sechs bis 14-jährige und auf 272 Euro für ältere Kinder erhöhen. Ergänzend muss das Wohngeld angehoben werden. Die maximale Bezugsdauer von sechs Jahren muss gestrichen und das Höchstalter des Kindes zum Bezug auf 18 Jahre angehoben werden. Das Kindergeld muss umgehend auf 200 Euro angehoben werden. Ziel ist es, das erhöhte Kindergeld und den angehobenen Kinderzuschlag zur bedarfsorientierten Kindergrundsicherung auszubauen, die dann 420 Euro pro Monat umfasst.
DIE LINKE hat einen Antrag in den Landtag eingebracht, in dem die Landesregierung auffordert wird, umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung der Kinderarmut vorzustellen. Was erwartet ihr euch davon?
Die Landesregierung und die sie tragenden Parteien C(!)DU und FDP werden alles abblocken. Nehmen wir das Beispiel Kinderbetreuung bei den unter Dreijährigen. Sozialminister Stefan Grüttner (CDU) hatte schon im Dezember letzten Jahres den tatsächlichen Bedarf an U3-Plätzen ermitteln lassen. Dieser liegt mit 58.000 Plätzen höher als bisher angenommen. Statt zu handeln arbeitet Grüttner aber nun lieber mit überholten Zahlen. Das heißt: Wieder einmal probiert es die schwarz-gelbe Landesregierung mit Blendwerk und der Hoffnung, die Hessinnen und Hessen werden es schon nicht merken. Aber wir machen es zum Thema, notfalls wieder und wieder; damit sich der Druck außerhalb des Parlaments erhöht und trotz der Schuldenbremse – eingeführt von CDU, FDP, Grüne und SPD – endlich wieder Sozialpolitik für die Menschen gemacht wird.